Blühende Lebensräume fördern die Biodiversität und die biologische Schädlingskontrolle in der Landwirtschaft
Matthias Tschumi von der Agroscope Zürich und der Universität Koblenz-Landau
Für eine effiziente und nachhaltig gesicherte Produktion von Nahrungsmitteln ist die Landwirtschaft auf eine Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen angewiesen. Dazu zählen neben Bodenbildung und Bereitstellung von sauberem Wasser etwa auch die Bestäubung von Kulturen und die biologische Kontrolle von Schädlingen im Feld. Mit einem hohen Einsatz künstlicher Hilfsstoffe und der Vereinfachung der Landschaft gefährdet die konventionelle landwirtschaftliche Intensivierung die Biodiversität und die damit verknüpften Ökosystemleistungen im landwirtschaftlichen Raum. Mit der Förderung von halbnatürlichen Lebensräumen wie Hecken, extensiven Wiesen oder Buntbrachen zielt der ökologische Ausgleich auf den Erhalt und die Förderung der Vielfalt von Lebensräumen und Arten ab. Dabei hat sich gezeigt, dass von diesen Fördermassnahmen oft auch Gegenspieler von wichtigen Ackerschädlingen wie Getreidehähnchen und Blattläuse profitieren, denn viele Nützlinge sind ausser auf Schädlinge auch auf Blütenressourcen wie Pollen und Nektar und ungestörte Lebensräume für die Überwinterung angewiesen. Das Bereitstellen von Schlüsselressourcen für Nützlinge dürfte somit deren Häufigkeit, Fitness und Diversität, sowie die durch sie bereitgestellten Ökosystemleistungen begünstigen. Durch gezieltes Lebensraummanagement könnten solche Agrarumweltmassnahmen sowohl die Biodiversität als auch die landwirtschaftliche Produktion fördern und so zu einer ökologischeren Landwirtschaft beitragen.
In einem ersten Schritt versuchten wir unser mechanistisches Verständnis davon zu verbessern, wie Organismen von Blütenressourcen profitieren. In Klimakabinenversuchen, die den Einfluss von einzelnen und mehreren blühenden Pflanzenarten auf Fitnesskomponenten von drei grundlegenden natürlichen Feind-Arthropoden von Blattläusen untersuchten, zeigen wir, dass natürliche Feinde unterschiedlich von den angebotenen Ressourcen profitieren. Einige Blühpflanzenarten waren dabei im Allgemeinen wertvoller für natürliche Feinde als andere und die Mischung aller Blütenpflanzen war zudem generell besser als Monokulturen.
Durch gezieltes Massschneidern von Blühstreifen auf die Bedürfnisse von wichtigen natürlichen Feinden von Kulturschädlingen, versuchten wir, die durch natürliche Feinde vermittelte biologische Schädlingskontrolle in Winterweizen und Kartoffelkulturen zu maximieren. Unter Berücksichtigung der vielseitigen Ansprüche von diversen natürlichen Feinden konzipierten wir einjährige Nützlingsblühstreifen, die durch Einbau in die Acker-Kulturfolge wichtige Arthropoden zu denjenigen Zeitpunkten und an den Orten unterstützen, an denen sie am meisten benötigt werden. Tatsächlich zeigten Feldexperimente, dass Getreidehähnchen (Oulema sp.) und der von ihnen verursachte Pflanzenschaden in Winterweizen um 40 % bis 60 % gesenkt werden können und Blattläuse in Kartoffelkulturen sogar um 75 %, wenn ein Nützlingsblühstreifen ins Feld gesät wurde. Diese Effekte konnten in vielen Fällen verhindern, dass die Schadschwelle erreicht wurde. Alle adulten natürlichen Feinde waren innerhalb der Nützlingsblühstreifen zahlreicher als innerhalb von Kontrollstreifen und einige Gruppen (zum Beispiel Laufkäfer, Schwebfliegen und Florfliegen) auch in den Nützlingsblühstreifen angrenzenden Feldern, was deren dominante Rolle für die biologische Schädlingskontrolle nahelegt. In Kartoffeln erhöhten Nützlingsblühstreifen auch die Artenzahl der Schwebfliegen in den Blühstreifen und den angrenzenden Feldern, was einen zusätzlichen Nutzen für die Diversität heraushebt.
Schliesslich zeigte eine weitere Untersuchung, dass gesäte mehrjährige Wildblumenstreifen (Buntbrachen und Ackersäume), wie sie gegenwärtig im schweizerischen ökologischen Ausgleich gefördert werden, nebst den bekannten positiven Auswirkungen auf die Biodiversität ebenfalls die biologische Kontrolle in benachbarten Kulturen fördern. Der Vergleich von Winterweizenfeldern mit angrenzendem Wildblumenstreifen, mit Feldern ohne Wildblumenstreifen, zeigte ebenfalls stark reduzierte Getreidehähnchendichten (Oulema sp.) und Pflanzenschäden nahe der Streifen. Darüber hinaus war auch der Ertrag in den an Wildblumenstreifen angrenzenden Feldern im Durchschnitt um 10 % höher als in den Kontrollfeldern ohne Blühstreifen. Dies bestätigt Annahmen, dass für die Biodiversität wertvolle mehrjährige Wildblumenstreifen auch Ökosystemleistungen, wie biologische Schädlingskontrolle fördern können. Die positive Korrelation des Ertrags mit Blütenabundanz und -diversität weist zudem auf Blütenressourcen als Schlüsselfaktor hin.
Die vorliegenden Resultate heben das Potential von massgeschneidertem Lebensraum-Management – und insbesondere von Blühstreifen – für eine ökologischere Landwirtschaft hervor. Indem Blühstreifen die Schädlingsdichten unter der Schadschwelle halten können, ab der ein Einsatz von Insektiziden für den Landwirten rentabel wird, können diese helfen, Insektizide zu ersetzen, oder zumindest zu reduzieren. Zudem ist eine direkte Ertragssteigerung möglich, wenn ein Blühstreifen neben einem Feld angelegt wird. Ein vermehrtes ansäen von Blühstreifen und Buntbrachen kann demnach nebst der Förderung der Biodiversität auch einen positiven Effekt für den Pflanzenschutz darstellen und somit zu einer win-win Situation für die landwirtschaftliche Produktion und die Biodiversitätsförderung führen. Es gilt jedoch zu beachten, dass Blühstreifen ihre volle Wirksamkeit nur entfalten können, wenn sie gut vernetzt mit anderen halbnatürlichen oder natürlichen Lebensräumen (Hecken, extensive Wiesen, Waldränder) in die Landschaft integriert werden, da Nützlinge permanente Strukturen benötigen, die ihnen zum Beispiel Schutz zur Überwinterung bieten.